Familie Prillwitz in Hermsdorf

Gehen wir nun nach Hermsdorf (bei Berlin), wo am 10.01.1847 der Zieglergesell Carl Friedrich Prillwitz die am 2. Januar 1827 in Forst Grimnitz geborene Dorothea Friederike Henriette Friedrich, Tochter des in Forst Grimnitz am 19. Dezember 1827 mit dem Pferde gestürzten und verstorbenen Fuhrmannes Wilhelm Friedrich, heiratete.

Sie bekamen 4 Kinder:

Am 10.02.1847 eine Tochter namens Henriette Auguste Dorothea, die am 22.10.1868 unverheiratet eine Totgeburt erlitt und danach wahrscheinlich Hermsdorf verließ.

Am 14.10.1848 morgens um 3 meinen Ururgroßvater August Johann Karl Friedrich, der am 13.07.1873 in Gräbendorf Marie Auguste Lieske heiratete und sich als Schlächtermeister in Pätz niederließ.

Am 07.09.1851 Carl Friedrich Wilhelm Prillwitz, der Schlächtermeister in Hermdorf wurde und mit seiner Frau Auguste (oder Minna?) Becker 7 Kinder hatte.

Am 26.10.1854 Johann Carl Paul Prillwitz, der wahrscheinlich nach Berlin ging.

Dorothea Friederike Henriette geb. Friedrich starb am 04.06.1855 in Hermsdorf am Nervenfieber (Der bis 1875 genutzte Friedhof Alt-Hermsdorf/Ecke Seebadstraße wurde 1905 eingeebnet, danach war der Friedhof in der Schulzendorfer Straße 53 in Gebrauch). Ihr Witwer heiratete am 03.08.1856 Caroline Dorothea Janderke, mit der er weitere 10 Kinder zeugte. Während er bei der Hochzeit noch "Zieglergesell" war, hatte er es bei der Taufe seiner Tochter Anna Sophia 1860 zum "Oberbrenner" gebracht. Später kehrte er scheinbar der Ziegelei den Rücken, denn bei der Hochzeit von Anna Sophia im Juli 1878 war er "Schankwirth und Eigenthümer". Er starb am 06.07.1897 in Lankwitz (im Kirchenbuch ist ausdrücklich vermerkt: "verstorben nicht Irrenanstalt zu Lankwitz" - der Standesamtseintrag besagt allerdings etwas anderes: Er starb in der Fraenkelschen privaten Heil- und Pflegeanstalt in der Viktoriastraße (heute Leonorenstr.)) und wurde in Hermsdorf begraben.
Im Heimatmuseum Reinickendorf fand ich diesen wunderbaren Text über Karl Prillwitz und seine Frau:

Zwei Fremde kommen nach Hermsdorf

Vor über 100 Jahren wanderte das Ehepaar Prillwitz aus Joachimstal nach Berlin, um dort Arbeit zu suchen. Als die beiden vor dem Oranienburger Tor erschienen, wurden sie von der Wache abgewiesen, weil sie keine 20 Taler besaßen: denn arme Leute wurden damals in der Residenz nicht aufgenommen. Ganz enttäuscht kehrten sie darauf der Hauptstadt den Rücken und wanderten ziellos auf sandiger Landstraße nach Norden. Sie kamen durch Reinickendorf und Dalldorf und gelangten am späten Abend müde und recht verzagt in Hermsdorf an.

Schwer hallen ihre müden Schritte auf der hölzernen Fließbrücke. Hermsdorf schläft schon; nur in dem Gutskrug ist noch Leben. Der schwache Schein einer Petroleumlampe weist den nächtlichen Wandrern den Weg. Sie treten ein und werden vom Krugwirt Brinkmann und Gutsförster Sotte erwartungsvoll angestaunt. Müde berichten sie von ihrem Pech und bitten um ein Nachtlager. Aber der Krug gehört zum Gut, und ohne Genehmigung des Gutsherrn darf der Wirt niemanden übernachten lassen. Doch der Gutsförster hat ein gutes Herz. Er zündet seine Laterne an und führt die totmüden Wanderer zum Gutshof. Hier finden sie im Kuhstall auf einer Strohschütte ein weiches Nachtlager.

Als die Mägde am nächsten Morgen den Kuhstall zum Melken betreten, erwachen beide. Vom Schlaf gestärkt, treten sie hinaus und sehen sich erst einmal auf dem großen Gutshof um. In einem großen Viereck liegen um ihn die Ställe, Wirtschafts- und Wohngebäude. Die meisten von ihnen haben Fachwerk und sind mit Rohr gedeckt. Außen herum ragen die Baumkronen des dichten Gutsparkes über die Dächer.

Nun kommen nach und nach Männer und Frauen auf den Gutshof, um hier ihre Arbeit zu beginnen. Prillwitz erkundigt sich bei einem Manne, ob er hier wohl Arbeit finden könne. Er hört, daß auf dem Gut schon alle Arbeitsstellen besetzt sind, aber auf der neuerbauten Ziegelei (jetzt Restaurant Seeschloß) würden noch Arbeiter gebraucht. Da tritt auch schon Gutsbesitzer Wernicke aus der Veranda seines Wohnhauses. Prillwitz geht auf ihn zu und trägt ihm sein Anliegen vor. Herr Wernicke ist sofort bereit, die Eheleute aufzunehmen. Er bestimmt: der Mann kann in der Ziegelei arbeiten, seine Frau soll auf dem Gut beschäftigt werden. Wohnen können die beiden in dem kleinen Tagelöhnerhaus am Friedhof. Wie glücklich sind da auf einmal die beiden; sie haben Arbeit und eine neue Heimat gefunden.

Karl Prillwitz geht nun jeden Tag zur Arbeit in die Ziegelei. Bald gelingt es ihm, den Ton für die Mauersteine glatt und ohne Luftblasen in die Holzform zu streichen und den Stempel Hermsdorff hineinzudrucken. Sind die Rohlinge in der Sonne vorgetrocknet, werden sie im Ofen gebrannt. Am nächsten Sonntag sieht sich das Ehepaar seine neue Heimat etwas näher an. Im südöstlichen Winkel, wo es vom Friedhof zum See hinuntergeht, liegt der alte Teil des Dorfes. Hier wohnen fünf Kossätenfamilien auf ihren kleinen Höfen. Sie besitzen nur wenig Ackerland. Was sie an Eiern, Gemüse und Kleinvieh entbehren können, veräußern sie in Berlin, um sich dafür notwendige Dinge für den Haushalt kaufen zu können. Hier im Winkel steht auch der alte Dorfbackofen. Wer ihn benutzen will, muß sich den Schlüssel vom Schulzen Grothe holen. Um die Kirche herum liegt der neuere Teil des Dorfes. Hier wohnen zwei Bauern und zwölf Büdnerfamilien, letztere verdienen hauptsächlich ihr Brot als Gutsarbeiter. In der kleinen Schule, nicht weit von der Kirche, betreut Herr Braun die vierzig Jungen und Mädel des Ortes.

Zehn Jahre sind allmählich ins Land gegangen. Prillwitz hat es inzwischen vom einfachen Steinformer zum tüchtigen Kunsthandwerker gebracht. Er fertigt aus Ton allerlei Figuren: Köpfe, ganze Standbilder, große Ziervasen und andere Schmuckformen. Die Hermsdorfer Ziegelei ist darum schon in der ganzen Umgegend gut bekannt und hat so viele Aufträge, daß sie Herrn Wernicke schon manchen blankenTaler eingebracht hat. Daher hat er sich auch am anderen Ende seines Gutshofes, zum Fließ hin, ein Wohnhaus aus den besten Steinen seiner Ziegelei erbauen lassen. Das Haus hat zwei Geschosse. Von der Hofseite führt eine breite Freitreppe in das Haus, und zur Fließseite tritt man auf eine große Terrasse hinaus, über der auf Säulen ein ebenso großer Balkon ruht. Alle Hermdorfer nennen dieses stattliche Gebäude das Herrenhaus.

Ein Kopf an der Hauswand Robinienweg 2, vermutlich der von Carl Prillwitz Ein Kopf an der Hauswand Robinienweg 2, vermutlich der von Rentier WernickeNun möchte sich auch die Familie Prillwitz mit ihrer Wohnung verbessern. Für drei Köpfe wird es in der kleinen Wohnung mit nur Stube und Küche doch ein bißchen eng. Als fleißige Leute haben die Eltern schon manchen Taler gespart und würden sich am liebsten ein eigenes Haus bauen. Herr Wernicke gibt ihnen die Erlaubnis, neben dem Chausseehaus ein Gebäude zu errichten, wie es die Büdner haben. Als Hausschmuck hat sich Prillwitz etwas ganz Besonderes ausgedacht. In seiner Freizeit formt er das Gesicht des Gutsbesitzers und auch sein eigenes aus Ton. Nachdem beide Plaketten durch Hitze haltbar gemacht worden sind, erhalten sie am neuen Haus einen Ehrenplatz. Das Bildnis des Gutsherrn ziert den Vordereingang des Hauses; sein eigenes Bild bringt der bescheidene Hausherr über der hinteren Haustür an, von wo es auf den Hof hinabschaut. In den Vorgarten des neuen Hauses werden noch vier Linden gepflanzt, damit die fleißigen Besitzer später einmal im Schatten dieser Bäume vor der Haustür ausruhen können. Dabei werden sie dann oft zurückdenken an den Tag, an dem sie als müde Wanderer nach Hermsdorf kamen. Aber dankbaren Herzens werden sie dann auch feststellen können, daß für rechtschaffene Arbeit und unermüdlichen Fleiß der Segen nicht ausbleibt.

nach Buntrock Bahns

Quelle: Heimatmuseum Reinickendorf

Der Text ist eine Zusammenfassung zweier Artikel im "Nord-Berliner" vom 26.4. und 10.5.1957. Buntrock schreibt dort u.a.:
"In jener Zeit, um 1845, kam Karl Prillwitz ungewollt als neuer Einwanderer nach Hermsorf. Er war der Vater der jetzt 86jährigen Frau Sohrauer, Berliner Straße 139, und der Großvater des jetzt 70jährigen Fleischermeisters Otto Prillwitz, Berliner Straße 129. Sie wissen noch viel von dem, was ihnen der alte Herr zu Lebzeiten über das damalige Hermsdorf erzählte."
Karl Buntrock war Schulrektor in Wittenau und von 1959 bis 1964 Leiter des Heimatmuseums, Bahns war Lehrer. Ich bin sehr dankbar, daß dieses Zeugnis meiner Vorfahren aufgeschrieben und aufbewahrt wurde und ich danke Herrn Klaus Schlickeiser, der mir diese alten Zeitungsartikel zukommen ließ (wahrscheinlich weiß niemand mehr über die Geschichte von Hermsdorf als Herr Schlickeiser).
Ein Detail allerdings kann so nicht stimmen: Da sie erst in Hermsdorf geheiratet haben, kann nicht "das Ehepaar Prillwitz" nach Hermsdorf gekommen sein. ;-)

Und noch einen weiteren Text fand ich im Heimatmuseum, diesmal geschrieben von A. Effinger über den Hermsdorfer Gutsbesitzer und Unternehmer Leopold Lessing:

(...) 1860 kaufte er das Gut von dem alten Rentier Wernicke. Bis zu seinem Tode galt sein Streben, dem Trend der Zeit folgend, aus dem alten, ehemaligen Erbzinsgut eine zukunftsträchtige Wirtschaft zu entwickeln, die bodenständig und zielstrebig in das aufblühende Industrie-Zeitalter hineinführte.

Er fand als Grundlage zunächst die bereits von seinem Vorgänger angelegte Ziegelei vor. Seine kundige Hand schuf daraus schnell eine Fabrik, die weit über die Herstellung von Ziegelsteinen hinausging. Als Material des Unternehmens fügte er zu den bereits erschlossenen Tonlagern durch Ankauf der Wiesen der kärglich dahin vegetierenden Wassermühle den günstigen Wiesenkalk, als Künstler entwickelten sich unter der Leitung des zugewanderten Karl Prillwitz ehemalige Ziegelformer. So entstanden Schmuck- und Kunstformen wie Vasen, Friese, Stuckarbeiten, ja, Büsten und Standbilder. Der Ruf der Hermsdorfer Tonwarenfabrik geht weit über den örtlichen Rahmen hinaus; als das große Rathaus in Berlin gebaut wird, ist sie maßgebend an den Arbeiten beteiligt. Das Unternehmen "floriert". Doch allmählich setzt die Natur, die ihren Reichtum spendet, auch ihre Grenzen. Je tiefer man den Ton schürfen muß, je schwerer wird es, das einsickernde Grundwasser zu beseitigen. Schließlich lohnen die Arbeiten nicht mehr, das Wasser herauszupumpen. Die Tongruben laufen voll, die Fabrik muß ihre Produktion einstellen. Heute künden die Seen auf dem Wege nach Lübars von dem alten, einst so günstigen Unternehmen. Aber Lessing ist bereits dabei, auf einem anderen Gebiete die Möglichkeiten einer rentableren Erschließung seines Gutes zu versuchen. Am 16.Juli 1877 wird die Eisenbahnlinie Berlin-Neubrandenburg eröffnet, Hermsdorf wird Bahnstation. Jetzt haben es die Berliner leichter, ihre Ausflüge auch auf den weiteren Norden auszudehnen. (...)

Quelle: Heimatmuseum Reinickendorf

Genau zur rechten Zeit also wurde Karl Prillwitz Schankwirt: Als die Berliner mit der neuen Bahn vergnügungssüchtig ins Umland strömten. 15 Gaststätten gab es damals in Hermsdorf - welche davon mag er betrieben haben? Vermutlich befand sie sich in seinem Haus Berliner Str. 140, wo lt. Adressbuch von 1911/12 sein Schwiegersohn Gustav Rocher eine Gaststätte betrieb und bereits 1894 eine Kegelbahn anlegen ließ.

In einer weiteren Quelle im Heimatmuseum Reinickendorf fand ich folgende Bauwerke als Beispiel für von der Hermsdorfer Ziegelei durchgeführte Dekorationen genannt: In Hermsdorf das Arbeiterwohnhaus ("Kaserne" für die Ziegelei-Arbeiter, früher Seebadstr. 37, heute steht dort ein Neubau), das Wohnhaus vor dem Saalbau und das Haus Alt-Hermsdorf 39; in Berlin das Luisenbad im Wedding, die Thomas-Kirche in Kreuzberg und das Rote Rathaus. Klaus Schlickeiser nennt in "Spaziergänge in Hermsdorf" noch die Bartholomäus-Kirche in der Greifswalder Straße.
An der seitlichen Fassade von Alt-Hermsdorf 39 findet man tatsächlich drei dekorative Köpfe, die möglicherweise von Karl Prillwitz ausgeführt wurden. 1866 baute der Eigentümer Bruckmann das Stallgebäude zu einem Schlachthaus um, das etwa 100 Jahre betrieben wurde. Das Wohnhaus wurde 1884 errichtet. Falls sein Sohn dort das Fleischerhandwerk gelernt hat (die spätere Fleischerei Wilhelm & Otto Prillwitz war gleich gegenüber im Erdgeschoss des 1890 gebauten Hauses Berliner Str. 129, wo die Familie von Wilhelm bzw. Otto auch wohnte), hatte der Schankwirt und Tonkünstler im Ruhestand vielleicht Spass daran, die Fassade zu verschönern?

Es gibt keine Prillwitz mehr in Hermsdorf. Carls ältester Sohn Karl ging nach Pätz, Paul ging nach Berlin, nur Wilhelm blieb (was aus Wilhelms 1873 geborenem Halbbruder Georg Emil Friedrich wurde, ist mir nicht bekannt). Alle anderen Kinder waren Töchter. Wilhelm hatte ebenfalls nur Töchter bis auf Otto, und der war nach der Erinnerung einer Nachbarin zwar verheiratet, hatte aber keine Kinder. So ist der Name Prillwitz heute in Hermsdorf ausgestorben.
Aber 3 Prillwitz-Töchter heirateten in Hermsdorf und gründeten dort große Familien:
Sophia heiratete den Restaurateur Friedrich August Wolter, Anna heiratete den Arbeiter Christian Friedrich Wilhelm Kranz und Alma heiratete den Maurer Friedrich Wilhelm Gustav Rocher.
Die Familie Rocher wohnte im alten Haus von Carl Prillwitz in der Berliner Str. 140. Alma ertrank mit ihrer Tochter Frieda am 5.12.1944 im in der Nähe des Hauses befindlichen Luftschutzkeller, als bei einem Luftangriff ein Gasbehälter der Gasanstalt zerstört wurde.

Wo das selbstgebaute Haus neben dem Chausseehaus stand (Berliner Str. 140), ist heute eine Tankstelle. Aber dank der Familie Weiß sind die Porträts von Karl Prillwitz und Johann Karl Wernicke erhalten geblieben auf dem Hof des Hauses Robinienweg 2.
Das Tagelöhnerhaus am Friedhof ist das Haus Alt-Hermsdorf 8.
Das Chausseehaus war in der Berliner Str. 141 und wurde 1961 abgerissen.
Die Kantine der Ziegelei-Arbeiter, der "Krug zum grünen Kranze", war in der Seebadstr. 42 (heute steht dort ein Neubau).
Das alte Gutshaus von Wernicke war im Bornepfad 4-6 und wurde 1964 abgerissen.
Die Tonwarenfabrik (später "Seeschloss") war in der Junostr. 7 + 7a (z. Zt. macht man daraus Wohnungen). Vermutlich ist dies auch "das Wohnhaus vor dem Saalbau".
Das neue Herrenhaus von Wernicke steht im Rundlingsteig 12.

Homepage